Was ist am Helikopter los

11. September 2016 ·

Was ist am Helikopter los

Seit einigen Jahren stehen vor öffentlichen Gebäuden, hauptsächlich aber vor Supermärkten, einzelne, sicher vom Kinderkarussel eines größeren Jahrmarktes geklaute, rüttelnde, schaukelnde oder auf und ab steigende Führerkabinen unterschiedlichsten Designs. Platz für ein Kind. In diesem Fall handelte es sich um eine Hubschrauberattrappe.

Melani, ein Kind von 4 Jahren, steuerte zielsicher auf das begehrte stand alone Unikum zu und Opa Walter (aach komm - so heißen die Opis immer seltener - sagen wir mal: Opa Sven) konnte nur noch den Euro in den Schlitz werfen.
Langsam hob sich die Kanzel und Melani warf ihre Locken zurück, quietschte vergnügt und winkte Opa Sven herunter. Dieses funktionierte in etwa sechs Intervallen.
"Nochmal, Opa...!"
"Aber nur noch 1x!" mahnte Sven und bezahlte.
Zwar wissen wir, dass es sich heutzutage nicht mehr geziemt, länger als nur mit einem flüchtigen Blick, die Kinder anderer Leute zu betrachten, dennoch standen einige Wagemutige um die "Füttere-mich-Maschine", um dem süßen Blag freundlich zuzusehen.
Und wir wissen, wo eine kleine Gruppe steht, kommen immer mehr dazu. (Gelernte DDR-Bürger kennen das!)
"Nochma-opaaa", juchzte es von der Kanzel, doch Opa wollte nun doch langsam einkaufen.
"Nein, es reicht jetzt, komm raus da!", presste Sven genervt heraus und streckte seinen Arm nach Melani aus.
"Warum lassen sie ihr das Vergnügen nicht - Sie sehen doch, dass es ihr Spass macht?"
"Hast wohl keen Jeld mehr, du Kuckuck.." - ein Gießereifacharbeiter.
"Brauchst wohl deine Kohle für Kippen und Fusel oder was ?", quetschte ein zu einem kleinen Männlein gehörendes, unrasiertes Gesicht, zwischen zwei Schultern vor, um gleich wieder mit rotgerubbelten Ohren zurückzuschlappen.
Man stand also in enger, geschlossener Gruppe, wie ein Bollwerk, dem Großvater Sven gegenüber.
Der kramte seinen Euro hervor und Melani freute sich.
Svens Nervenkostüm war hinüber, griff sich das nächststehende Wiesel, dass ihn am meisten nervte und stupste ihn beiseite.
"Was geht es dich überhaupt an, du Kasperbude, das ist meine Enkelin..."
"...und das heißt, du kannst mit ihr machen, wasse willst?", rief jetzt eine proppere Alleinerziehende.
Der Mob kam in Wallung. Melani quietschte. Der Hubschrauber hob und senkte sich, denn andere, die das Schauspiel weiter verfolgen wollten, warfen ein Euro nach dem anderen ins Mobile.
Aus der Schulhofschubserei wurde ein handfeste Keilerei. Frau Propper atmete aus und das Wiesel prallte auf den Gießereifacharbeiter. Man stand einfach zu eng aneinander. Auch der Gießereiarbeiter atmete ein und aus. Das Wiesel war jetzt auf der Höhe von Melanis Helikopter. Melani winkte freundlich.
Svens Wut ließ ihn mit dem rechten Fuß aufstampfen, kippte aber hinten über und wurde zum Glück vom Kotflügel seines eigenen Autos, am Hinterkopf sediert. Ein Versicherungsverkäufer zerrte ihn rettend auf den Fahrersitz und betreute ihn bis zur Unterschrift.
Mittlerweile tobte die Schlacht auf dem Parkplatz seinem Höhepunkt zu. Alle Autos parkten im Kreis wie eine Wagenburg, mit Scheinwerfer zum Innern des Kreises. Die Arena war gesichert. Nachzügler standen auf der umliegenden Wiese und manche suchten sich ihre bessere Sichtachse auf dem Autodach. Popcorn war ausverkauft.
Als die ambulanten Händler, die die Gruppe von etwa 70 Mann mit Fischbrötchen, Bockwurst und Lebensversicherungen versorgten, von den ansässigen Händlern verprügelt, abzogen, weckte man Melani im Helikopter und trug sie vorsichtig ins Auto vom Opa.
Melani warf sich in die Arme von Opa Sven und gluckste selig: "Das war schön Opi!"
Dann schmiss sie die senfverschmierten Bockwurstpappen, Popcorntüten und Versicherungsverträge nach hinten und Sven legte vorsichtig den Rückwärtsgang ein...

"Tatsächlich alles so passiert?"
"Nee, aber du hättest den genervten und gelangweilten Blick von dem Opa sehen sollen, als das Kind Freude hatte!"
"Stimmt, den kenne ich auch...!"


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