Abenteuer mit Krümel

11. August 2015 ·

Abenteuer mit Krümel

Alles in ihm schrie nach Liebe! Jeder Blick!
Er sah mich wohl als den Hundeschlächter, dem er sich bedingungslos unterordnen und für den entscheidenden
Schächtschnitt seinen Hals anbieten musste. Arme Kreatur. Ich wollte ihm doch nichts Böses! Was konnte ich tun?
Er schien so verloren, so weit weg mit seinen Gedanken, dass es mir das Herz zerriss. Das ist Treue! So liebt nur ein Hund. Nun saß er vorm Tor und sah durch einen Spalt.
Von da muss sie kommen! Langsam trabte Krümel zu mir, immer wieder zum Tor schauend.
Dann dieser hypnotisierende Bick: - "...komm, lass uns noch mal zum Tor gehen. Vielleicht muss ich ja auch mal.
Bitte lass nicht zu, dass ich dir auf`n Teppich kacke!" Wie macht so ein Tier das? Wie schafft es so ein Hund, dass
wir alles machen, was er will? Auch wenn unser vorauseilender Gehorsam uns Dinge verrichten lässt, die der Hund
erst in der nächste Woche geplant hat, so hat man doch das Gefühl, es ihm für kurze Zeit recht gemacht zu haben.
Es ist ein schönes Gefühl. Ja, wir sind Kumpels. Wir verstehen uns. Auch ohne viel Worte. Mit der Zeit lernt man dann,
mit der Verantwortung zu leben. Man übernimmt stellvertretend eine Kreatur für eine gewisse Zeit und muss sich nun
sorgen um das Viech, welches ja auch Bedürfnisse hat! Wird es krank werden? Wird es ihm gut gehen? Mache ich
alles richtig? Im Großen und Ganzen bin ich ja tierlieb. Jedes Jahr zu Weihnachten hänge ich Futterknödel für die
hungernden Vögel im Winter auf. Jedes Jahr! Im letzten Jahr habe ich sogar die Knödel so tief gehängt, dass auch die
fetten Katzen, die hier herumstromern, heranreichen, denn die können nicht mehr so hoch springen, beim Jagen!
So haben die auch schöne Weihnachten - ist ja für alle da.
Aber so ein Hund ist dann doch schon etwas anderes. Habe ich gestern gelesen. Ich musste mich schon ein wenig
vorbereiten. Was, wenn so ein Tier krank wird in der Pflegezeit? Wenn man das Tier mit Schäden zurückgeben muss?
Hach, diese Verantwortung! Meine Augen müssen zugefallen sein...

Eben überfliege ich einen Abgrund mit dem Helikopter. An der herabgelassenen Strickleiter gehakt, reiße ich mit dem
freien Arm den, an der Klippe stehenden und vor Angst bibbernden Hund an mich und schwebe mit ihm in den rötlich
angedämmerten Heimathimmel. Gerade noch rechtzeitig, ehe die Meute hungriger Katzen, sich auf unseren Krümel
stürzen konnte...!

Nun, wir hoffen dass alles gut geht!
Die erste Stunde haben wir ja überstanden.
In den nächsten fünf Tagen waren wir Eis essen, im Tiergarten, fuhren in die Pilze und an die Elbe. Museum war zu.
Ich kann jetzt besser Stöckchen holen als Krümel!
Hättste sehen müssen, wie er mir beim ersten mal, schwanzwackelnd das Stöckchen vor die Füße legte.
"Was`n los, Krümel?"
Stöckchen hochgenommen und wieder abgelegt. Aha. Ich
nahm es auf und warf. Zweieinhalb Stunden lang. Immer wieder. Ich war fix und fertig, sorgte mich um mein Idealgewicht!
Krümel flitzte und ich schwitzte.
Ins Wasser, in die Lupinen und zurück! Was für ein Hund. Hopp, Sitz, Platz - alles saß!
Zu hause angekommen, sah man ihm seine Zufriedenheit an. Ich gab ihm zu saufen und zu fressen, schüttelte seine
Decke im Körbchen auf und legte mich lang. Ich weiß nicht, wie lange ich schlief, als mich ein Klappern in der Küche weckte...

Krümel rief aus der Küche, ich solle liegen bleiben, er wird mir den Kaffee ans Bett bringen! So ahlte ich mich
noch einmal und sah Krümel mit Schürzchen und Kaffeekanne in seinen Pfoten, in die Stube kommen.
"Zucker oder Süßstoff? Milch gibt es nicht. Denke mal mit dran, dass ich sie morgen von Norma mitbringe, die von Aldi
ist nicht so gut. Außerdem findet die Frau an der Kasse mich ganz niedlich!"
Krümel sprach akzentfrei, obwohl er irisches Blut in sich haben musste. Ich weiß, ich hatte ewig nicht mehr gesoffen,
aber das hier hielt ich trotzdem für grauen Alltag. "Wenn Du bei Norma bist, bring Dir gleich Dein Hundefutter mit, ich weiß
immer nicht, welche Sorte Dir die liebste ist!", fiel mir noch ein.
"Hättste mich doch fragen können," murmelte Krümel und stellte etwas zickig den Kaffee auf den Teewagen am Bett.
"Du bist`n Hund!", begehrte ich auf, "Wie will ich wissen, dass Du mich verstehst!"
"Ihr seid unmöglich, quatscht den ganzen Tag mit uns, als wären wir kleine Kinder und wenn wir Euch sagen,
dass wir Euch verstehen, sind wir wieder Hunde!"
Das ging noch eine ganze Weile so. Krümel erzählte mir etwas über seine Vorfahren, seine Lieblingsspeisen und seine
sexuellen Vorlieben. "Doggystyle?" - (Fand er nicht komisch)
Ich zeigte ihm ein Bild, wo er sein "großes Geschäft" verrichtete und erwähnte dabei meine Theorie, dass er Zwergkängurus unter seinen Ahnen haben musste. Krümel zeigte auch hier keinen Humor. Ist eben ein Hund!
Wir plauderten noch eine ganze Weile weiter, bis wir bei Kant, Feuerbach und Nietsche waren. Freud lehnte er entschieden ab, bis auf seine Psychopathologie des Alltagslebens und seine Traumdeutungen. Von Freud kannte ich nur die Zigarette und Krümel sah mich, bei meinen Verteidigungsversuchen, nicht alles wissen zu können, mit weidwundem Blick an.
"Ich wette, Du kannst nicht mal Stöckchen holen, mein menschlicher Freund!"
Doch, konnte ich und holte alle Stöckchen, die vor meiner Tür herumlagen und warf sie Ihm vor die Füße.
"Das kann jeder dumme Hund!", sagte Krümel und legte sich gelangweilt in sein Körbchen.

"Alles gut gegangen, mit dem alten Krümel?" fragte Herrchen, als ich Krümel nach 14 Tagen Betreuung zurück brachte.
"Ich kann jetzt besser Stöckchen holen als der Hund!" - brabbelte ich.
Krümel stand auf seinen Hinterbeinen vorm Herrchen und schleckte ihm vor Freude über Gesicht und Hände .
Wenn ich dem jetzt erzähle, dass Krümel und ich über Feuerbach polemisierten, statt über Brehm, schoss es mir durch den Kopf, wird einer von uns sicher eingeschläfert! Wahrscheinlich nicht der Hund!
"Na," sprach das Herrchen zwischen zwei Hundeküsschen, "was habt ihr so spannendes erlebt?"
Ich verweigerte sicherheitshalber die Aussage und warf ein letztes mal "Stöckchen"!
"Och, das kann Krümel uns ja heute abend in aller Ruhe selbst erzählen!", meinte das "Herrchen" und schon stoben beide um die Wette hinter dem Stöckchen her...

 

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